Wenn Punks erwachsen werden, tauschen sie drei Akkorde gegen große Melodien und die Faust im Gesicht der Ungerechtigkeit gegen die Faust in der Luft. Der tätowierte Arm im karierten Flanell - das Raue im Herzen, aber die Weite der Welt und eine frische Brise in der Nase. Besser geht’s doch kaum.
Folk-Punk heißt dieses Genre, zu deren bekanntesten Vertretern sicherlich neben Chuck Ragan und Frank Turner inzwischen auch der Holländer Tim Vantol gehört. Dessen neuester Streich „Burning Desires“ spielt all die Karten aus, die er braucht um Herzen zu gewinnen von Liebhabern gediegener Sommerabende im Park mit Dosenbier, Strand-Events mit Lagerfeuer oder Festivalromantikern. Das sind zehn mitreißende Melodien, zehn herrlich zupackende kleine Hymnen, die mit „Till The End“ perfekt eingeläutet werden. Da wird zwar auch schnell klar, dass Vantols Wurzeln tatsächlich eher nicht im Punk sondern im Pop liegen, so süffig-satt sind seine Songs, wie ein kaltes Alster an einem heißen Tag. Vielleicht sind sie auch genauso vergänglich in ihrer Wirkung, diese „Restless“, „Lost The Unknown“ oder „Burning Desires“ betitelten Ausbruchsversuche aus Alltag und Routine, aber für einen tollen Sommer sind sie allemal gut. Vantol selbst sieht das eh gelassen: Er sei weder der beste Musiker noch der größte Songwriter der Welt, ließ er im Vorfeld des Releases verlauten, aber er macht es halt einfach. Das ist mal mehr folky wie im grandiosen „We’re Not Gonna Make It“, das ich in den nächsten Monaten bitte auf jedem Campingplatz der Welt hören möchte, und mal eher erdig-hemdsärmelig und an Springsteen erinnernd wie auf „Lost The Unknown“, dann auch gerne mit ganz großer Geste, aber die steht ihm, die kann er tragen auf all den Straßen zwischen den verschiedensten Zuhausen, auf denen er fährt, mal mit einem Wohnwagen am runtergerockten Wagen, mal mit dem Motorrad und mal ganz easy mit dem Fahrrad. Reisemusik, der zu ihrer vollendeten Vollkommenheit eigentlich nur noch eine Mundharmonika fehlt; Musik aus der aktuellsten Selbstfindungsphase, die Vergangenheit mit einem Lächeln betrachtend, aber im Moment glücklich: Das ist ein Album von Tim Vantol, so war es, so ist es, so macht es am allermeisten Spaß. So sollte auch „Burning Desires“ euch in den nächsten Monaten ganz viel Freude machen.
Text: Kristof Beuthner