Rezensionen 08.06.2018

YOR - YOR THE FUTURE (U-Bac)

Heute erscheint "YOR THE FUTURE" – das Debutalbum der Leipziger No-Wave-Gruppe YOR – über das Tapelabel U-Bac. Aufgenommen und produziert wurde das Album bereits vor 2 Jahren von Max Rieger (Die Nerven) und lag – schade für all die, die nicht im Einzugskreis eines Konzertes der Band sich befinden, und überhaupt ein Jammer – seitdem auf irgendwelchen Festplatten herum.

YOR sind zu dritt und das Großartige an der Band ist, wie die Eigenheiten jeder der drei Musikerinnen sich in die jeweiligen Stücke einprägt. Jede spielt, was sie kann, und das ist vielleicht beschränkt, aber die Beschränkungen reizen YOR so gut aus, dass jedes ihrer Stücke wie kein anderes klingt. Mittlerweile und auch auf dem Album sitzen die Songs so gut, dass es sich sehr gut mitwippen lässt, ohne dass das Ganze aber angestrengt sauber ist. Bei ihrem Debutkonzert in Andys Bierbar vor 2 Jahren hingegen oder so sah man eine Band, deren technisches Können nahe an der Nullgrenze rangierte, was jedoch nie als Hindernis erschien, sondern ihnen zu einer eigenen musikalischen Sprache verhalf, die keine disziplinierte ist, sondern auch stottern und quietschen darf. Man fragt sich ja, warum das ganze No-Wave-Ding nur auf so einen kurzen historischen Zeitraum beschränkt zu sein schien, sind doch Befreiung der Möglichkeiten, die Vereinfachugn der Mittel und die Spontanität in Musikmachen und Auftreten Dinge, die man sich als junger Mensch in Zeiten, in denen die Zeit und das Geld nie wirklich reicht, vor allem nicht dafür reicht, sich geiles Equipment und Übungsstunden zu leisten, immer wieder neu vor Augen halten sollte.

 

 

YOR aus Leipzig sind sozusagen die Wiedergeburt des No-Wave aus dem Geiste der Langeweile und des Aber-Wollens. Nataly, Suse und Tony spielen die schönste unprofessionelle Musik hierzugegen und man ist immer wieder gemahnt an die Größen grandioser Schrägheit: The Shaggs, Teenage Jesus & The Jerks, Suckdog. Was auf dem Album "YOR THE FUTURE" und besonders auch bei ihren Live-Auftritten aufscheint ist ein seltsamer Ort zwischen Anspruch und bewusster Nachlässigkeit. So wirken die Songs einerseits absolut auf den Punkt gebracht und mitreißend bis dringlich wie ein Stück von The Slits oder den Inflatable Boy Clams; andererseits aber auch so als würden die Songs einfach aus Versehen passieren. Dabei schaffen YOR sich einen ästhetischen Platz, der vielleicht wie verschiedene zusammengebastelte Fragmente von Dingen klingt, die die drei beeinflusst (Noise, Funk, The Who) und die sie auch gerne, wenn auch mit geringen und kostengünstigen Mitteln, machen möchten – oder von Sachen, die sie umtreibt (Geschlechter, Klischees, die Zukunft) und die angesprochen werden wollen –, ein Gebiet, das aber absolut eigenständig ist. Folgerichtig haben YOR auch ihr erstes Musikvideo – für den Song "Greenlight" – in Eigenregie erstellt und ebenso das zweite Video zur Single "Korn". (Susanne Beck von YOR zeichnet sich zudem verantwortlich für Videos für Friends of Gas und Die Lore.)

 

 

Das Album "YOR THE FUTURE" erscheint in einer 100er-Auflage über das Leipziger Kassettenlabel U-Bac. Aufgenommen wurde es innerhalb von vier Tagen bei Max Rieger (Die Nerven) –, irgendwann 2017, mehr oder weniger kurz nachdem die Mitglieder der Band entschlossen haben, ein Instrument zu spielen (wenngleich Nataly bereits Banderfahrung mit der Stuttgarter Noisepunk-Gruppe Mosquito Ego hatte). YOR teilten sich zuletzt die Bühne mit Bands wie den besagten Friends Of Gas sowie Fun Fare oder Pigeon aus dem Berliner FLENNEN-Umfeld – und es empfiehlt sich sehr sich die Band auch live anzusehen. Man versteht dann vielleicht besser.

 

 

Text: Aiva Kalnina